Am 27. Oktober 2016 ging die grosse Reise nach Nepal los. Am Flughafen lernten wir Dora und Urs Frey, nach langem Emailkontakt, persönlich kennen. Während der langen Reise nach Kathmandu beschäftigten uns viele Fragen. Was wird uns in unserem Praktikum alles begegnen, wie werden die Lehrpersonen auf unsere Methoden reagieren und wie wird die gemeinsame Zusammenarbeit gelingen? Am 28. Oktober trafen wir abends in Kathmandu ein. Die folgenden 5 Tage verbrachten wir in der grössten Stadt Nepals. Dies bot uns die nötige Zeit, um uns anzuklimatisieren und uns mit der neuen Kultur bekannt zu machen. Die Tage in Kathmandu nutzten wir dazu, die Stadt und ihre Umgebung kennenzulernen. Der Besuch in einem kleineren Spital in Kathmandu, liess uns in der Hoffnung, das Praktikum gesund zu überstehen. Schon nach wenigen Tagen, legten wir Spontaneität als unser Motto fest. Ungewiss, ob wir Kathmandu auf Grund eines Besuches des indischen Premierministers verlassen können, fuhren wir am 3. November nach Trisuli. Glücklicherweise wurden wir an unserer Ausreise nicht gehindert und fuhren per Jeep in Richtung Berge. Die Reise führte im wahrsten Sinn des Wortes über Stock und Stein und leider auch über viele Schlaglöcher.
Während der nächsten zwei Wochen verbrachten wir einen grossen Teil unserer Zeit an der UPESS (Uttargaya Public English Secondary School). Wir nutzten die freien Tage dazu, die Gegend kennenzulernen und mussten feststellen, dass das ganze Gebiet stark unter dem Erdbeben vor etwa eineinhalb Jahren zu leiden hatte und bis heute viele Leute in Blechbaracken und unter schlechten Bedingungen leben. Mit diesen Bildern im Kopf dachten wir an die Menschen, die nasse und bald schon sehr kalte Nächte in ihren einfachen Hütten verbringen müssen. Wir waren zudem überrascht, dass in einer so ländlichen, von der Landwirtschaft geprägten Gegend, so viel Abfall herumliegt. Trotz allem beeindruckten uns die Schönheit der Landschaft und die reichen Ressourcen der Landwirtschaft.
Den ersten Tag an der UPESS verbrachten wir mit Hospitieren. Wir beide, Carina und Deborah, besuchten vor allem den Kindergarten und die Primarklassen und liessen die Unterrichtsmethoden auf uns wirken. Beim gemeinsamen Austausch wurde schon nach wenigen Lektionen klar, dass sich die angetroffenen Unterrichtsstile stark von den unsrigen unterscheiden. Am nächsten Tag begannen wir damit, der Lehrperson jeweils nach der besuchten Unterrichtssequenz ein Feedback anzubieten. In den kommenden Tagen führten wir auch Workshops zu den Themen „Unterrichtsmethoden“ und „Motivation“ durch. Den Rest der Woche verbrachten wir mit Schulbesuchen, mit Feedbacks geben und damit, die Lehrpersonen auf die besprochenen Methoden hinzuweisen. Weiter übernahmen wir im Kindergarten mit seinen 40 Kindern einige Sequenzen und versuchten, die Kinder durch Lieder und Spiele zu aktivieren, in der Hoffnung, dass die Lehrpersonen diese dann übernehmen würden. Der Unterricht fand vorwiegend in englischer Sprache statt. Trotzdem waren die Englischkenntnisse der Lehrpersonen sehr gering. Das erschwerte die Zusammenarbeit, da vor allem die Lehrpersonen der unteren Klassen unsere Rückmeldungen kaum verstanden.
Nach zwei sehr eindrucksvollen und herausfordernden Wochen mussten wir unsere Sachen schon wieder packen und Trisuli verlassen. Mit dem traditionellen Tika/Tilaka (Segenszeichen) und mit Tüchern geschmückt wurden wir gebührend gefeiert. Weiter bekamen wir und die Lehrpersonen Auszeichnungen für die Zusammenarbeit. Verschiedene Schüler versüssten uns den Abschied zudem mit ihren Sologesängen. Es war eine sehr spannende Zeit in Trisuli, und wir konnten uns ein Stück weit in das Leben der Nepalesen einfühlen. Obwohl wir in einem kleinen Hotel leben durften, mussten wir uns mit einfachen Lebensbedingungen begnügen: zeitweise gab es keinen Strom, täglich duschten wir mit eiskaltem Wasser und öfters wurden wir von grossen Eidechsen in unserem Schlafzimmer besucht.
Durch die gewonnenen Eindrücke beschäftigte uns die momentane Situation im Internat sehr. Als nämlich im Frühling 2015 das Erdbeben in Nepal auch die Region von Trisuli traf, wurde das Internat der UPESS zerstört. Dieses diente als Heim für Schülerinnen und Schüler, welche zu weit entfernt von der Schule in den Bergen wohnten. Sie verbrachten teilweise viele Wochen im Internat, ohne jemals nach Hause gehen zu können. Nachdem dieses Internat zerstört worden war, musste eine Alternative her. Die Kinder, sowie einige Lehrpersonen, zogen in Baracken um. Für die rund 30 Mädchen und etwa 50 Knaben wurden zwei Blechhütten errichtet. Diese sind weder isoliert noch gibt es Scheiben in den Fenstern. Zudem ist das Dach des Mädchentrakts durchlöchert. Die einfache Küche befindet sich im Freien und verfügt nur gerade über eine Feuerstelle und ein paar Töpfe. Tische und Bänke, an welchen die Schülerinnen und Schüler arbeiten und essen, befinden sich ebenfalls draussen.
Da der Winter naht und die Bedingungen besorgniserregend sind, sollte das im letzten Jahr zerstörte Internat so schnell wie möglich fertig gestellt werden. Obwohl Dora und Urs schon einige Spendengelder für die Neuerrichtung des Internats investiert haben, fehlt noch immer einiges. Die Wände sind zwar errichtet und der Boden gelegt, doch sollte nun schnellstmöglich ein Dach her. Aufgrund dieser Zustände beschlossen wir beide, etwas zu unternehmen und stellten einen Spendenbrief zusammen, den wir Verwandten und Bekannten zukommen liessen.
Nach getaner Arbeit verliessen wir Trisuli und fuhren zurück nach Kathmandu. Bevor die Reise nach Biratnagar weiterging, machten wir noch einmal einen Zwischenhalt in der Hauptstadt Nepals. Wir nutzten diesen, um eine andere Schule, die „Sunrise English Boarding School“, zu besuchen. Am folgenden Tag flogen wir nach Biratnagar. Nach einem etwa dreissig minütigen Flug, der uns die einmalige Gelegenheit bot, den höchsten Berg der Welt zu bestaunen, erreichten wir das Flachland Nepals. Der Schulleiter der Schule B.K.V.M. (Bal Kalyan Vidya Mandir), an welcher wir die folgenden zwei Wochen arbeiteten, holte uns am Flughafen ab und brachte uns in ein Hotel. Im Vergleich zu Trisuli, wo wir in einfachen Verhältnissen gelebt hatten, war dieses Hotel nun der pure Luxus.
Am Sonntag starteten wir mit unserer Arbeit an der Schule. Mit Hilfe der Lehrerliste und des Stundenplans versuchten wir, die rund neunzig Lehrpersonen so auf uns vier aufzuteilen, dass möglichst viele besucht werden konnten. Wir begannen mit jenen Lehrpersonen, die beim letzten Besuch von Dora und Urs noch nicht an der Schule gearbeitet hatten. Dora konzentrierte sich auf die Kindergartenklassen und die Unterstufe, wir, Carina und Deborah, versuchten die Primarlehrer zu unterstützen und Urs besuchte die Oberstufenlehrpersonen. Somit verbrachten wir den ersten Tag damit, bei verschiedenen Primarlehrpersonen zu hospitieren und ihnen anschliessend kurze Feedbacks zu geben.
Die folgenden Tage verliefen immer ähnlich. Im täglichen Austausch versuchten wir, Änderungsvorschläge zusammenzutragen, welche Urs in seinen ersten Workshops den Lehrpersonen mitteilte. Wir beide tauschten uns regelmässig mit Hilfe unserer Notizen über die einzelnen Primarlehrpersonen aus. Oft besuchten wir nacheinander dieselben Lehrpersonen, in der Hoffnung, Fortschritte festzustellen.
Während der ersten Woche konnten wir einige Ähnlichkeiten mit Trisuli erkennen. Vor allem in den unteren Stufen gab es viele Lehrpersonen, die die Kinder im Chor antworten liessen oder den typischen „Talking Teacher“ repräsentierten. Auch in dieser Schule wurden die Kinder grösstenteils nicht aktiviert und die Unterrichtsmethoden entsprachen dem Behaviorismus.
Die erste Woche konnten wir mit einem schönen Ausflug erfolgreich abschliessen. Der Schulleiter fuhr mit uns in den Norden des Landes. Wir verliessen also das Flachland und erreichten innerhalb weniger Stunden das Gebirge. Auch an diesem Freitag mussten wir uns unser Motto wieder in Erinnerung rufen. Spontan verbrachten wir eine Nacht auf 2000 m.ü.M in einem Hotel. Unser Highlight war, am nächsten Tag die Himalaya Gebirgskette und den Mount Everest zu bestaunen.
Die zweite Woche starteten wir mit einem Englisch Workshop für alle Englischlehrer der Primar- und Oberstufe. Wir führten diesen Workshop an zwei Tagen mit jeweils einer Gruppe durch. Ziel des Workshops war, den Lehrpersonen unterschiedliche methodische Möglichkeiten und spielerische Aktivitäten aufzuzeigen. Der etwa einstündige Workshop beinhaltete ein wenig Theorie und einige praktische Übungen und Spiele. Zu unserer Freude waren die Lehrpersonen motiviert bei der Sache und zeigten Interesse an unserem Workshop. In den folgenden Tagen beschäftigten wir uns vorwiegend mit den Englischlehrpersonen. Wir besuchten viele Englischlektionen und die Lehrpersonen bemühten sich von Anfang an, das Gelernte umzusetzen. Manchmal haperte es mit der Umsetzung, doch wir versuchten, mit konstruktiven Rückmeldungen beizustehen. Bei einigen Lehrpersonen durften wir während des Unterrichts eingreifen und unsere Ideen mitteilen und umsetzen. Gegen Ende der zweiten Woche machten wir vermehrt wieder Schulbesuche bei anderen Fachlehrpersonen. Unsere Feedbacks und Workshop hinterliessen langsam Spuren; wir konnten schon viele Fortschritte erkennen.
Am Freitag, unserem letzten Schultag, fand am Vormittag ein Spezialprogramm statt. Die SuS der oberen Klassen veranstalteten einen Tanzwettbewerb. Etwa 50 Schülerinnen tanzten zu nepalesischer Musik einzeln vor und wurden bewertet. Wir durften als Zuschauer dabei sein und hatten danach die Gelegenheit, mit vielen SuS zu sprechen. Als Abschluss führten wir am Nachmittag gemeinsam mit Dora unseren letzten Workshop durch. Wir machten Konzentrations-, Rechen-, und Sprachspiele in zwei Gruppen mit je etwa 15 Personen. Die Spiele, welche wir vorstellten und durchführten, sollten in den hier vorgefundenen Klassen umsetzbar sein. Somit wählten wir Spiele aus, für die möglichst kein oder nur einfach herstellbares Material benötigt wird, denn die Klassen bestehen meistens aus 40 SuS und die Schulzimmer sind klein. Es war ziemlich einfach, die Lehrpersonen für die Spiele zu begeistern. Einige verstanden sehr schnell, andere brauchten eine kleinere oder grössere Starthilfe. Uns war es vor allem wichtig, den Lehrpersonen aufzuzeigen, dass durch Spielen gelernt werden kann. Weiter konnten wir aufzeigen, dass die Spiele in beliebigen Fächern durchführbar sind und dazu nur die Kreativität der Lehrperson gefragt ist. Spielerisch und mit viel Spass schlossen wir unsere Arbeit an der B.K.V.M. ab.
Glücklicherweise fand das alljährliche Lehrerpicknick an unserem letzten Wochenende in Biratnagar statt. Früh morgens fuhren sehr viele Lehrpersonen per Bus Richtung Norden an einen im Wald gelegenen Picknickplatz. Als wir vier mit dem Schulleiter gegen Mittag eintrafen, war schon alles vorbereitet und das Essen gekocht. Das Fleisch wurde vor Ort frisch zubereitet und am offenen Feuer gebraten. Nach einem kurzen Snack, einigen Fotos und einem kleinen Tanz war unsere Zeit beim Picknick schon wieder vorbei. Der Schulleiter hatte noch grosse Pläne, weshalb wir die Lehrpersonen zurückliessen und weiter Richtung Osten fuhren. Nach einer längeren Autofahrt erreichten wir wieder die Berge und fuhren ins Ilam Teegebiet. Wir durften eine Nacht in einem Ferienhaus in einer Teeplantage verbringen und am nächsten Tag die Fabrik und die Plantage besichtigen. Dank den Beziehungen des Schulleiters bekamen wir die Möglichkeit, an einer vom Chef der Plantage persönlich geleiteten Führung teilzunehmen und die einzelnen Schritte der Teeherstellung kennenzulernen.
Auf dem Heimweg machten wir einen kurzen Halt in einer weiteren kleinen Schule. Dora und Urs mussten diese Schule besichtigen, um sich für oder gegen eine Zusammenarbeit im nächsten Frühling zu entscheiden. Die Schule machte einen gepflegten Eindruck, und obwohl die Schulzimmer sehr klein waren, herrschte eine angenehme Ruhe. Nach dem Schulbesuch fuhren wir zurück nach Biratnagar; wir zwei machten einen Zwischenstopp an der B.K.V.M, um uns von den SuS und Lehrpersonen zu verabschieden. Da die Schule riesig ist, konnten wir nicht von allen Lehrpersonen und SuS Abschied nehmen. Trotzdem durften wir erfahren, dass man unsere Anwesenheit geschätzt hatte und sie dankbar für unsere Unterstützung waren.
Wir schätzen uns sehr glücklich, die Chance eines Auslandpraktikums bekommen zu haben. Aus der Zeit in Nepal nehmen wir wertvolle Erfahrungen für unseren zukünftigen Lehrberuf, sowie fürs ganze Leben mit. Durch die Arbeit an zwei verschiedenen Schulen in unterschiedlichen Regionen des Landes, lernten wir das nepalesische Leben und ihre Kultur kennen. In Trisuli konnten wir die teilweise sehr schwierigen Lebensbedingungen der Einheimischen sehen und erleben. Aufgrund der Kommunikationsschwierigkeiten war die Zusammenarbeit mit den dortigen Lehrpersonen oft eine grosse Herausforderung. Sensibilität und Verständnis waren gefragt. Wir mussten Veränderungsvorschläge vorsichtig anbringen und immer daran denken, dass unsere Methoden nicht die einzig richtigen sind. Auch in Biratnagar mussten wir vorsichtig mit unseren Rückmeldungen sein. Jedoch fiel uns dies schon viel leichter, da wir bereits in Trisuli gelernt hatten, konstruktives Feedbacks zu geben. Zudem verstanden uns die Lehrpersonen in Biratnagar sprachlich besser. Dadurch gab es seltener Kommunikationsschwierigkeiten; sie wussten, was wir mit dem Gesagten meinten. Mit der Zeit fühlten wir uns immer sicherer beim Beobachten und Rückmeldungen geben und wir hatten immer öfter umsetzbare Vorschläge bereit, die wir unterbreiten konnten.
Wie schon erwähnt, waren die letzten sechs Wochen davon geprägt, dass vieles oft sehr spontan entschieden werden musste. Die Vorbereitungen für die Schule wurden immer fortlaufend gemacht und der entsprechenden Situation angepasst. Jeder Tag konnte neue Überraschungen bringen, und wir lernten damit umzugehen und diese Art des Lebens auch zu schätzen. Eine für uns wertvolle Erfahrung war die Durchführung der verschiedenen Workshops. Die Herausforderung lag darin, einen Inhalt für ein Publikum vorzubereiten, welches wir gar nicht oder kaum kannten. Vor allem bestand dieses Zielpublikum nicht aus Kindern, wie wir es uns gewohnt waren, sondern aus Lehrpersonen, welche größtenteils eine viel grössere Arbeitserfahrung haben als wir. Zudem mussten wir uns auf Englisch durchschlagen und unseren Inhalt in dieser Fremdsprache einfach und klar vermitteln. Auch hier – haben wir gemerkt - gilt: Übung macht den Meister, und gegen Ende des Praktikums fühlten wir uns immer sicherer in unserer Rolle.
Das Auslandpraktikum in Nepal war ein ganz tolles Erlebnis, wofür wir der Pädagogischen Hochschule Graubünden, sowie Dora und Urs Frey sehr dankbar sind.
Deborah Blättler und Carina Beeli